Das Wasserschloss braucht einen neuen Umgang mit Wasser

28. Oktober 2023  ·  Campus-News

ETH Blog – Prof. Manuela Brunner

Die Alpen sind immer häufiger von Hochwasser und Trockenheit betroffen. Doch wir können etwas dagegen tun, betont Manuela Brunner: Mit Wasser sparsam wirtschaften und Schutzmassnahmen breiter denken.

Die Schweiz gilt als Wasserschloss Europas – als zuverlässige Lieferantin von frischem Wasser, das selbst dann noch stetig aus alpinen Quellen fliesst, wenn es anderswo knapp wird.

Dieses Idealbild, das früher Realität war, wird heute durch den Klimawandel arg gestört. Extremereignisse wie Hochwasser und Trockenheit treten immer öfter auf: Das Wasserschloss ist im Stresszustand.

Die letzten Jahre haben es eindrücklich gezeigt: Gerade richtig oder normal waren die hydrologischen Verhältnisse selten – im Gegenteil, entweder kämpften wir mit zu wenig Wasser in Gestalt von schneearmen Wintern und regenarmen Sommern, oder dann mit zu viel Wasser in Form von Starkniederschlägen und Überschwemmungen.

Schneearme Winter begünstigen trockene Sommer

Trockenheit und Hochwasser werden mit dem Klimawandel häufiger und intensiver. Beide Extreme haben im Alpenraum zugenommen. Das hat verschiedene Gründe: In einer wärmeren Welt fallen Niederschläge unregelmässiger, die Verdunstung ist stärker und es gibt viel weniger Schnee. Schnee ist relevant, weil er Wasser speichert und es verzögert abgibt, wenn er schmilzt. Deshalb begünstigt Schneemangel im Winter Trockenheit im folgenden Sommer, weil dann das Schmelzwasser fehlt.

Projektionen zeigen, dass sich die Trockenheit weiter intensivieren dürfte. Dies ist nicht nur im Sommer ein Problem, wenn Wasser für die Bewässerung in der Landwirtschaft fehlt oder niedrige Pegel den Schiffstransport auf Flüssen einschränken. Sondern auch im Winter, wenn für die Energieproduktion aus Wasserkraft wenig Wasser vorhanden ist und schneefreie Berge den Skitourismus gefährden.

Grosse Hochwasser werden künftig noch grösser

Beim Hochwasser zeigen Beobachtungen noch kein klares Bild: In einigen Gebieten führen zunehmende Starkniederschläge zu intensiveren Ereignissen, andernorts federn geringere oder frühere Schneeschmelzen die Folgen von intensiveren Niederschläge ab. Vorhersagen sehen jedoch künftig vor allem die schweren Hochwasser häufiger und stärker werden, was steigende Schadens-​ und Managementkosten mit sich bringt.

Kurz: Die Zukunft des Wasserschlosses sieht alles andere als rosig aus.

Was also können wir tun?

Für mich ist damit klar: Wir müssen uns an die neuen Wasserrisiken anpassen. Das Gute ist, dass wir das auch können. Die Schweiz hat bereits Erfahrung im Umgang mit Extremereignissen: Es gibt eine Warnplattform für Hochwasser, und eine für Trockenheit ist für 2025 geplant. Ausserdem verfügen wir über die nötigen Mittel und das technische Wissen um Schutzmassnahmen umzusetzen.

«Wir sind dem Klimawandel nicht machtlos ausgeliefert, sondern können uns anpassen und haben es mit in der Hand, wie stark uns die Klimafolgen treffen.»

 

Wollen wir jedoch bestmöglich für die Zukunft gerüstet sein, müssen wir uns deutlich mehr anstrengen und das Thema Anpassung breiter angehen:

Erstens sollten wir zur Minderung von Trockenheit nicht nur Wasser speichern, sondern auch Wasser sparen: Über neue Speicheroptionen wie Reservoire oder Bewässerungsteiche nachzudenken, macht durchaus Sinn, jedoch ist der Bau von neuen Wasserspeichern nicht in jedem Fall sinnvoll, weil solche Anlagen teuer und ökologisch selten nachhaltig sind.

Meines Erachtens müssen Massnahmen gegen Trockenheit daher immer auch bei der Nachfrage ansetzen. Hier haben wir einen starken Hebel: Wenn wir Wasser massvoll konsumieren, indem wir es weniger verschwenden (Stichwort: Auto waschen) und Felder und Gärten effizienter bewässern, können wir unseren Verbrauch erheblich reduzieren.

Zweitens kommen wir nicht darum herum, auch den Hochwasserschutz breiter zu denken als nur bauliche Massnahmen: Renaturierte Bäche und Flüsse, die mehr Raum haben, können helfen, den natürlichen Hochwasserschutz zu reaktivieren.

Schliesslich halte ich es für unabdingbar, dass wir Hochwasserschutz und Trockenheitsmassnahmen zusammen denken. Ein voller Speicher gegen Trockenheit nützt nichts, wenn ein Hochwasser droht und dringend Speicherplatz zur Entlastung nötig wäre.

Wir haben es in der Hand

Ein Gedanke liegt mir besonders am Herzen: Gewiss, der Umgang mit zunehmenden Extremereignissen wird kein Zuckerschlecken. Wir sind dem Problem aber nicht machtlos ausgeliefert. Vielmehr können wir uns anpassen. Ausserdem haben wir es mit in der Hand, wie stark Extremereignisse zunehmen. Dies wird umso schwächer sein, je stärker wir unseren CO2-​Ausstoss reduzieren. Jede Entscheidung und Handlung zählt, und es ist noch nicht zu spät, um sowohl bei Emissionen als auch Anpassung aktiv zu werden.

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