13. November 2021 · Campus-News
Frauen sind in Verwaltungsrat und Geschäftsleitung von mittelgrossen Schweizer Unternehmen noch immer die Ausnahme. Eine Studie der OST – Ostschweizer Fachhochschule hat den Besetzungsprozess untersucht und belegt, wie Netzwerke von Männern dominiert und zu wenig von Frauen genutzt werden.
Grosse börsenkotierte Unternehmen mit Sitz in der Schweiz sollen in Zukunft mehr Kaderstellen mit Frauen besetzen. Das haben National- und Ständerat im Juni 2020 bei der Revision des Aktienrechts so entschieden. Konkret gilt ab 2026 ein Richtwert von 30 Prozent Frauen im Verwaltungsrat und 20 Prozent Frauen in der Geschäftsleitung. Bei den grössten Unternehmen, die im SMI-Index zusammengefasst sind, hat der Anteil Verwaltungsrätinnen in den vergangenen Jahren leicht zugenommen; er liegt inzwischen bei 27 Prozent. Bei den mittelgrossen Unternehmen hingegen stagniert der Frauenanteil in den Führungsgremien; je nach Studie liegt der Frauenanteil in den Verwaltungsräten zwischen 16 und 21 Prozent. Das Institut für Qualitätsmanagement und Betriebswirtschaft der OST – Ostschweizer Fachhochschule hat nun untersucht, weshalb die Frauenwahl bei mittelgrossen Unternehmen zu kurz kommt. Die beruflichen Netzwerke und die Selektion von spezialisierten Rekrutierungsunternehmen spielten dabei eine entscheidende Rolle, so das Fazit der Studie.
«Verharren in alten Mustern»
«Historisch bedingt bauen in der Schweiz vielfach Führungskarrieren auf Militärkarrieren auf, wodurch Männern mehr und weitreichendere Führungskompetenz zugebilligt werden. Und es bilden sich wichtige Netzwerke», sagt Sibylle Olbert-Bock, Professorin für Leadership und Personalmanagement an der OST.
Männlich geprägte Netzwerke seien auch heute noch mitentscheidend, wenn es um die Selektion von Kandidatinnen und Kandidaten ginge. Hinzu komme, dass die Profilformulierungen häufig auf Männer zugeschnitten seien; so würden beispielsweise Kompetenzen in Finanzen, Management und Recht höher gewichtet als Human Resources und Marketing. «An vielen Stellen führt ein ‹Verharren in alten Mustern› dazu, dass Frauen im Besetzungsprozess deutlich im Nachteil sind», so Olbert-Bock.
Aber auch bei den Netzwerken können Frauen nicht richtig punkten. Einerseits haben reine Frauennetzwerke im Besetzungsprozess eher mittelbare Relevanz, andererseits nutzen Frauen die eigenen Netzwerke weniger ausgeprägt als Männer – auch in den Sozialen Medien. Das Fazit von Sibylle Olbert-Bock: «Der Aufbau von Netzwerkkompetenz ist wesentlich, wenn es darum geht, ein Verwaltungsratsmandat anzustreben.»
Headhunter haben wenig Anteil
Überraschend zeigt die Studie aber auch, dass die Suche nach neuen Verwaltungsratsmitgliedern durch spezialisierte Beratungsunternehmen (Headhunter) zwar als «professionelle Vorgehensweise» betrachtet wird, aber mit etwa einem Zehntel nur für einen kleinen Teil der vakanten Mandate eine Rolle spielt. «Gerade in mittelgrossen Unternehmen werden Verwaltungsratsmandate selten öffentlich ausgeschrieben. Die meisten werden über persönliche Kontakte vergeben», sagt OST-Professorin Sibylle Olbert-Bock. Und hier spielten wieder die Netzwerke eine entscheidende Rolle – siehe oben.
Trotz der ernüchternden aber zu erwartenden Bilanz, dass der Frauenanteil in Verwaltungsrat und Geschäftsleitung von mittelgrossen Schweizer Unternehmen noch immer gering ist, zeigt die Studie aber auch, dass sich die Unternehmen je länger je mehr bemühen, Vakanzen mit Frauen zu besetzen und dass kompetente Frauen verfügbar sind.
Die Studie ist Teil eines vierjährigen Projekts zum Thema «Frauen in Geschäftsleitungen und Verwaltungsräten von mittelgrossen Unternehmen – eine nachhaltige Förderung». Neben Interviews und einer Befragung von Beteiligten des Rekrutierungsprozesses werden Massnahmen zur Förderung der Netzwerkkompetenz von Frauen entwickelt. Das Projekt wird unterstützt vom Eidgenössischen Büro für Gleichstellung von Frau und Mann.