24. Oktober 2024 · Campus-News
Die dreizehnte Ausgabe des Schweizer HR-Barometers befasst sich mit dem Thema «Sinn und Unsinn in der Arbeit». Die Mehrheit der 2032 Befragten in der Schweiz empfindet ihre Arbeit als wichtig und sinnvoll, wobei dies ab 55 Jahren an Bedeutung gewinnt. Fast die Hälfte fühlt sich jedoch teils entfremdet, und die empfundene Langeweile ist im Vergleich zu vor 10 Jahren leicht gestiegen.
Mit der Verbreitung von Künstlicher Intelligenz (KI) im Arbeitskontext wird die Frage nach dem Sinn und Unsinn von Arbeit immer relevanter. KI-Technologien haben das Potenzial, viele Aufgaben zu automatisieren und die Arbeitsweise grundlegend zu verändern. Einerseits können neue Technologien die Produktivität steigern und Menschen von monotonen oder gefährlichen Tätigkeiten befreien, andererseits gilt es, den Sinn in der Arbeit für die Menschen zu erhalten. Der Schweizer HR-Barometer 2024 untersucht aus Sicht der Arbeitnehmenden, welchen Sinn und Unsinn sie in ihrer Arbeit wahrnehmen.
Für die Beschäftigten in der Schweiz hat die Arbeit grundsätzlich einen hohen Stellenwert im Leben. Vergleicht man die Wichtigkeit der verschiedenen Lebensbereiche, so zeigt sich, dass vor allem die Bereiche «Erwerbsarbeit» sowie «Familie und Freizeit» mit durchschnittlich je fast 30% für die Erwerbstätigen in der Schweiz am wichtigsten sind. Mit zunehmendem Alter nimmt die Bedeutung der Erwerbsarbeit zu (von 28 auf 36%) und diejenige der Freizeit ab (von 31 auf 22%). Die Familie ist generell der wichtigste Lebensbereich, insbesondere für die Befragten mittleren Alters. Im Vergleich zu 2014 ist die Bedeutung der Familie nahezu gleichgeblieben, während die Bedeutung der Erwerbsarbeit abgenommen und diejenige der Freizeit in ähnlichem Masse zugenommen hat (im Durchschnitt um etwa 4–5 %). Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass es tatsächlich eine allgemeine Tendenz gibt, der Erwerbsarbeit weniger und der Freizeit mehr Bedeutung beizumessen. Ein interessantes Detail ist jedoch, dass im Altersvergleich für die 56- bis 65-Jährigen die Erwerbsarbeit am wichtigsten und die Freizeit am unwichtigsten ist. Statt ältere Arbeitnehmende als lernunwillig und unmotiviert abzutun, sollte diese Gruppe auch angesichts des demografischen Wandels viel stärker beachtet und gefördert werden.
Fast die Hälfte der Beschäftigten (47%) sehen ihre Arbeit als bedeutsam an, für mehr als ein Drittel trifft dies zumindest teilweise zu (36%). Viele haben insbesondere ein gutes Gespür dafür, was ihre Arbeit bedeutsam macht. Erfreulich ist auch zu sehen, dass nahezu drei Viertel (71%) der Befragten in ihrer Arbeit aufgehen und damit das Gefühl haben, sich dort weiterentwickeln zu können und energiegeladen und vital bei der Arbeit zu sein. Auch empfindet die Mehrheit der Beschäftigten ihre Arbeit insgesamt als kohärent, d.h. in sich stimmig und nachvollziehbar.
51% berichten jedoch auch, dass sie sich zumindest teilweise von ihrer Arbeit entfremdet fühlen. Knapp ein Viertel davon (24%) fühlt sich sogar oft oder immer von der eigenen Arbeit entfremdet. Die Arbeit wird dabei von den Beschäftigten als Bürde empfunden, sie sind desillusioniert und distanziert von ihrer Tätigkeit und ihrem Arbeitsumfeld. Hier besteht Handlungsbedarf seitens der Arbeitgebenden. Im Jahr 2024 hat sich zudem fast ein Viertel der Beschäftigten mindestens manchmal bei der Arbeit gelangweilt, während es vor zehn Jahren nur 12% waren.
Nimmt die Arbeit einen hohen Stellenwert im Leben der Beschäftigten ein, führt dies zu einem höheren Gefühl der Bedeutsamkeit der Arbeit, zu einem höheren Kohärenzgefühl und zu einem Aufgehen in der Arbeit (Thriving). Hat die Arbeit einen tiefen Stellenwert im Leben der Beschäftigten und ist der Arbeitsanreiz primär finanzieller Natur, führt dies eher zu Entfremdung und Langeweile bei der Arbeit.
Die wahrgenommene Bedeutsamkeit der Arbeit, das Kohärenzgefühl und das Aufgehen in der Arbeit reduzieren Arbeitsplatzunsicherheit und Kündigungsabsichten, erhöhen die Arbeits- und Karrierezufriedenheit und stärken die Verbundenheit mit dem Arbeitgeber. Wird die Arbeit als kohärent empfunden und gehen die Beschäftigten in ihrer Arbeit auf, sinkt auch das Stressempfinden. Das gegenteilige Muster zeigt sich, wenn sich Beschäftigte bei der Arbeit entfremdet oder gelangweilt fühlen.
Gemäss den Trendanalysen können Arbeitgebende insgesamt weiterhin auf eine positive Grundstimmung bei den Beschäftigten bauen. Viele Arbeitseinstellungen sind seit Beginn der Messungen im Jahr 2006 bis auf kleinere Abweichungen relativ stabil. Die Arbeitsgestaltung wird insgesamt positiv bewertet. Die Arbeitszufriedenheit und das Commitment fallen weiterhin hoch aus. Nur die Kündigungsabsicht ist leicht gesunken. Die gegenseitigen Erwartungen und Angebote von Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden (sog. psychologischer Vertrag) stagnieren tendenziell. Die Angebote der Arbeitgebenden werden von den Beschäftigten als nahezu unverändert im Vergleich zu 2022 wahrgenommen. Die Erwartungen der Arbeitnehmenden bleiben mehrheitlich auf stabilem Niveau oder sind sogar leicht rückgängig.
Trotz des derzeit beschäftigungsfreundlichen Arbeitsmarktes ist fast die Hälfte der Beschäftigten (45%) an einer traditionellen sicherheitsorientierten Karriere im Unternehmen interessiert. In den letzten Jahren waren dies immer weniger als 40%. Dieses gestiegene Sicherheitsbedürfnis könnte mit den vielfältigen sozialen und politischen Unsicherheiten zusammenhängen. Dies erfordert eine sorgfältige Balance zwischen Stabilität und notwendigen Veränderungen in den Unternehmen, um zu vermeiden, dass die hohe Sicherheitsorientierung der Beschäftigten zu einem ungesunden Beharren auf dem Bestehenden führt.
Gute Arbeitsgestaltung mit vielfältigen, ganzheitlichen und sinnvollen Aufgaben sowie Autonomie und Mitwirkungsmöglichkeiten und eine positive Führungsbeziehung sind Kernbestanteile unternehmerischer Massnahmen, welche die Arbeitsmarktfähigkeit der Beschäftigten stärken und die Motivation und Zufriedenheit fördern.
ETH Redaktion – Bild ETH/Adobe