28. Dezember 2021 · Campus-News
ETH – Shruti Patel – Spenderinnen und Spender sollten Wohltätigkeitsorganisationen nicht nach ihren Verwaltungskosten auswählen, schreibt Shruti Patel. Wer wirksam spenden will, muss andere Fragen stellen.
Der Dezember ist die Zeit des guten Zwecks. Wenn es weihnachtet, besinnen sich viele von uns derer, die weniger priviligiert sind, und die Sammelbriefe wohltätiger Organisationen stossen auf offene Herzen.
Doch wie bewerten wir am besten, ob ein Hilfswerk unsere Spende gut einsetzt?
Kürzlich haben wir am NADEL eine Umfrage zur Meinung der Schweizerinnen und Schweizer zur globalen Zusammenarbeit abgeschlossen, die zeigte: Spenderinnen und Spender ziehen oft die Jahresberichte von Organisationen heran, wobei der Aufwand für die Verwaltung den Spendenentscheid am stärksten beeinflusst.
Aus früheren wissenschaftlichen Studien wissen wir zudem: Bilder und Geschichten von bedürftigen Menschen sprechen die eigenen Emotionen an und erhöhen die Spenden.1 Wir nehmen schlanke Organisationen als weniger «verschwenderisch» wahr, weil bei den Bedürftigen mehr Geld ankommt.2 Dieses Denken ist jedoch mehrfach problematisch.
Einerseits fehlt die Aussagekraft: Eine Hilfswerk, das nur fünf Prozent seiner Einnahmen in die Verwaltung steckt, kann durchaus verschwenderisch sein, wenn die restlichen Mittel nicht den Zielen zugute kommen. Ebenso kann ein Hilfswerk mit sehr hohen administrativen Kosten sehr wirksam arbeiten. So erhielten beispielsweise «Physicians for Human Rights» 1997 den Friedensnobelpreis für ihre Arbeit zum weltweiten Verbot von Landminen. Ihre Verwaltungskosten waren hoch.
Andererseits sind Verwaltungskosten manchmal nur deshalb niedrig, weil ein Werk nicht in Mitarbeitende, Ausbildung oder Infrastruktur investiert.
Hinzukommt: Wer sich mit populären Themen wie dem Wohl von Kindern befasst, erhält bei gleichem Fundraising-Aufwand mehr Spenden als jene Organisationen, die sich um Suchtprobleme kümmern. Die Verwaltungskosten von letzteren werden deshalb höher sein. Ein Benchmark für niedrige Verwaltungskosten benachteiligt ausgerechnet jene Institutionen, die sich marginalisierten Themen widmen, und begrenzt ihren Handlungsspielraum.
Schliesslich hängt diese Metrik immer auch von buchhalterischer Bewertung ab. Ein Obdachlosenhilfswerk, das auf seine Unterkünfte aufmerksam macht, kann die Ausgaben als Fundraising verbuchen oder als Programmausgaben.
Kurz: Zwischen Administration und Effektivität gibt es keinen Zusammenhang.
Wir wägen oft wochenlang ab, bevor wir einen grösseren Einkauf tätigen.3 Wir sollten dieselbe Zeit investieren, bevor wir spenden. Um die dafür geeignetsten Organisationen zu finden, sind folgende drei Fragen relevant. Antworten finden sich nicht immer im Jahresbericht oder auf der Website eines Hilfswerks. Deshalb empfehle ich, Organisationen ungeniert eine E-Mail zu schreiben. Die Organisationen werden das schätzen (ich habe früher selbst für ein Schweizer Hilfswerk gearbeitet). Also fragen Sie:
Gewiss, ein simpler und einfach zu messender Massstab wie Verwaltungskosten ist verlockend. Indem wir jedoch andere Fragen stellen, finden wir nicht nur vielversprechende Organisationen für uns – wir helfen Hilfswerken auch, wirksamer zu werden. Und das hat nichts mit der Höhe von Verwaltungskosten zu tun.
(Bild: bongkarn/AdobeStock)